Jede Woche kommen Patienten in meine Praxis, die sich Sorgen wegen exzessivem Haarverlust machen. Durchschnittlich befinden sich auf einem menschlichen Kopf 100.000 Haarfolikel. Ist man jung, hält das Haar normalerweise seine Pigmentierung und Fülle aufrecht. Mit zunehmendem Alter jedoch, geht die Pigmentierung verloren, die Haarfolikel werden schließlich grau und es kommt auch zu schütterem Haar. Einen vollen Haarschopf zu behalten, haben viele zum Ziel. Leider ist dies jedoch nicht immer zu bewerkstelligen, aufgrund diverser Lebenssituationen, Belastungen, Unausgewogenheiten und medizinischer Probleme.

Es gibt drei Wachstumsphasen, die das Haar durchläuft: 

  • Anagene Phase
  • Katagene Phase
  • Telogene Phase

Es befinden sich stets 90 Prozent der Haarfolikel in der anagenen Phase bzw. Wachstumsphase. Diese Phase dauert üblicherweise drei bis fünf Jahre an. Bei der katagenen Phase handelt es sich um eine kurze Übergangsphase, die ca. 10 Tage dauert und in die telogene Phase mündet. Während der telogenen Phase, die als „Ruhephase“ bekannt ist, fällt das Haar auf natürliche Weise aus. Kommt es früh in der anagenen Phase zu einer Störung, wird das Haar schnell zur telogenen Phase übergehen, was zu einem schnelleren oder vorzeitigen Haarverlust führen wird. 

Vier Typen des Haarverlusts:

Telogeneffluvium (TE) – Hierbei handelt es sich um die häufigste Form von Haarausfall. Sie kommt sowohl bei Männern als auch bei Frauen vor. 

Androgenetische Alopezie (AGA) – Diese Form steht in Verbindung mit hormonellen Veränderungen und dem Altern. Sie ist die Ursache für die Glatzenbildung bei Männern.

Alopecia areata (AA) – Diese Form des Haarverlusts ist die Folge einer Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem bestimmte Haarfolikel angreift, was zu isolierten kahlen Stellen am Schädel oder Bart führt.

Alopecia universalis (AU) – Eine sehr seltene, aber viel schwerwiegendere Auto-Immun-Erkrankung, bei der sämtliche Haarfolikel des eigenen Körpers angegriffen werden, wodurch die Haare auf der ganzen Haut ausfallen, einschließlich Augenbrauen und Wimpern. 

Telogeneffluvium (TE) ist die häufigste Ursache für Haarausfall, die zu unerwarteten Zeiten auftritt. Beispielsweise habe ich dies bei Frauen beobachtet, die gerade ein Kind entbunden haben. Andere Male habe ich es bei Patienten gesehen, bei denen eine chronische Erkrankung diagnostiziert wurde, oder manchmal, wenn jemand ein belastendes Lebensereignis durchgemacht hat. Auch jene, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen, verlieren häufig Haare, da die Haarfolikel während der anagenen Phase leichter beeinträchtigt werden.  

Hormonelle Probleme

Zu hormonellen Problemen kann es durch eine Vielzahl von Gründen kommen. Wer sich schlecht ernährt oder Übergewicht hat, hat ein Risiko, eine hormonelle Gleichgewichtsstörung zu entwickeln, die zu vorzeitigem Haarverlust führt. 

Schilddrüsenerkrankung 

Ein häufiger Grund für eine Schilddrüsenerkrankung ist entweder ein Jodmangel oder eine Auto-Immun-Erkrankung namens Hashimoto-Thyreoiditis. Beides kann das Risiko für Haarausfall erhöhen.

Zuckeranomalien 

Insulin ist das Hormon, das freigesetzt wird, wenn man Zucker oder einfache Kohlenhydrate (die zu Zucker zersetzt werden) konsumiert. Jemand, der sich reich an Zucker und Kohlenhydraten ernährt, hat üblicherweise einen Insulinspiegel, der höher als normal ist. Das kann nicht nur zu Übergewicht führen, sondern auch eine Insulinresistenz verursachen – ein Zustand, der das Haarausfallrisiko erhöht. Eine gesunde Umstellung der Ernährung und das Erreichen eines gesunden Gewichts können Ihnen helfen, diese Auffälligkeiten zu vermeiden. 

Anormaler Testosteronspiegel 

Mit zunehmendem Alter sinkt bei Männern der Testosteronspiegel. Übergewicht, Diabetes oder die Medikation chronischer Schmerzen können alles Faktoren sein, die zur Senkung des Testosteronspiegels beitragen. Dies kann zu vorzeitigem Haarverlust führen. Frauen können auch einen erhöhten Testosteronspiegel haben, insbesondere, wenn der Insulinspiegel (von zu viel Zucker) erhöht ist. Oft führt dies zu Haarausfall.

Östrogenungleichgewicht 

Besteht ein Östrogenungleichgewicht, wird dadurch das Risiko für vorzeitigen Haarausfall erhöht. Bei Frauen, die übergewichtig oder adipös sind, besteht ein erhöhtes Risiko, da Fettgewebe zusätzliches Östrogen freisetzt, was sich auf den Zyklus und den gesamten Hormonhaushalt einer Frau auswirken kann. 

Verdauungsprobleme

Verdauungsprobleme kommen bei Menschen mit vorzeitigem Haarverlust häufig vor. Wer an dem Leaky-Gut-Syndrom leidet, hat häufig eine verringerte Aufnahme wichtiger Vitamine und Mineralstoffe. Zu häufigen Anzeichen eines Leaky-Guts zählen Darmblähungen und Stuhlanomalien wie häufiger Durchfall.

Blähungen sind oft ein Anzeichen für Lebensmittelunverträglichkeiten. Ich sage meinen Patienten immer: „Menschen produzieren kein Gas“. Wenn die Bakterien in unserem Darm jedoch bestimmte Nahrungsmittel zu sich nehmen, führt dies zur Bildung von Gasen. Die meisten Lebensmittel, gegen die man eine Unverträglichkeit haben könnte, sind Weizenprodukte (z. B. Gluten), Milchprodukte (Laktose, Kasein), Mais (Maissirup, Maltodextrin), Soja und bestimmte Kreuzblütlergemüsearten (Brokkoli, Blumenkohl, Rosenkohl). Neben dem Meiden solcher Lebensmittel-Trigger, kann sich die Optimierung der Darmgesundheit mithilfe von Verdauungsenzymen und Probiotika als hilfreich erweisen.

Chronischer Durchfall kann ebenfalls durch gängige Lebensmittel-Trigger ausgelöst werden, was zu einem Ungleichgewicht im Darm führen kann. Die Reparatur eines Leaky-Guts wird helfen, die Resorption wichtiger Nährstoffe zu verbessern. Auch hier können Verdauungsenzyme und Probiotika vielleicht helfen. 

Bluthochdruck

Bluthochdruck, auch bekannt als Hypertonie, ist ein weit bekannter Risikofaktor für Herzkrankheit, Nierenkrankheit und Schlaganfall. Allerdings steigert er auch das Risiko für Haarausfall bei Männern und Frauen. Es ist wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um den Bluthochdruck wegzubekommen oder zumindest zu kontrollieren. Konsultieren Sie Ihren Arzt, wenn Sie Bluthochdruck haben.

Schlechte Ernährung

Eine schlechte Ernährung kann zu einer Mangelversorgung und reduzierten Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen führen, was zu vorzeitigem Haarausfall beitragen kann. Es ist entscheidend, Wert auf eine gut ausgewogene Ernährung zu legen, um sicherzustellen, dass eine angemessene Menge an Vitaminen und Mineralstoffen aufgenommen wird. Man sollte auch ein Multivitaminpräparat in Betracht ziehen, wenn die eigene Ernährung suboptimal ist.

Vitamine und Mineralstoffe, die bei Haarverlust helfen könnten

Biotin 

Das häufig gegen vorzeitigen Haarausfall und schlechtes Nagelwachstum eingenommene Biotin zählt zur Klasse der B-Vitamine. Auch wenn ich bei einigen Patienten eine vorteilhafte Wirkung beobachtet habe, suggerieren einige Studien, dass die Beweislage nicht eindeutig ist. Allerdings zeigte 2016 eine Studie im International Journal of Trichology, dass bei 38 Prozent der Frauen, die an Haarausfall litten, ein Biotinmangel vorlag. 

Kollagen 

Kollagen-Nahrungsergänzungsmittel enthalten eine große Bandbreite Aminosäuren, die für das Wachstum von Haaren sowie auch für Haut, Sehnen und die Knochengesundheit notwendig sind. Sie sind eine gute Wahl für diejenigen, die sicherstellen wollen, dass sie eine ausreichende Versorgung mit Aminosäuren erhalten. Dosierempfehlung: Bitte beachten Sie die Anweisungen auf dem Etikett.

Eisen 

Frauen, die jünger als 50 Jahre alt sind, haben im Vergleich zu Männern ein erhöhtes Risiko für einen Eisenmangel. Es können allerdings beide Geschlechter betroffen sein, insbesondere, wenn der Eisenmangel Problemen des Verdauungssystems geschuldet ist. Einer Studie aus Skin Physiology and Pharmacology zufolge kann auch ein niedriger Eisenspiegel das Risiko für anhaltenden Haarausfall erhöhen. Es ist wichtig, die Ursache eines Eisenmangels durch Ihren Arzt abklären zu lassen und sobald diese gefunden wurde, sollte die Einnahme eines Eisennnahrungsergänzungsmittels in Betracht gezogen werden. Wird Eisen zusammen mit Vitamin C eingenommen, hilft dies, die Resorption zu erhöhen. Konsultieren Sie vor der Einnahme Ihren Arzt. 

Vitamin D 

Auf der ganzen Welt haben nahezu vier von fünf Menschen, einschließlich meiner eigenen Patienten im sonnigen Kalifornien, einen Mangel an Vitamin D. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel wurde in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für zahlreiche Erkrankungen gebracht, von schwachen Knochen und Muskelschmerzen bis hin zu diversen Krebsformen. Es überrascht nicht, dass ein gesunder Vitamin-D-Spiegel im Blut auch wichtig für die Gesundheit von Haut und Haaren ist. Studien haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel sowie einem erhöhten Risiko für Alopecia areata gibt und einer Studie in Clinical and Experimental Medicine zufolge auch, dass die Supplementierung den Schweregrad reduzieren könne, sobald die Erkrankung ausgebrochen sei. 

Zink 

Einer Studie aus dem Jahr 2013 im Journal Of Drugs in Dermatology zufolge sollte der Zinkspiegel bei Menschen untersucht werden, die an andauerndem Haarausfall des Typs Telogeneffluvium leiden, der häufigsten Ursache für Haarverlust. Ist er niedrig, kann die Wiederauffüllung mittels eines Multivitaminpräparats oder eines separaten Zinknahrungsergänzungsmittels in Betracht gezogen werden. 

Omega-3-Fettsäuren 

Omega-3-Fettsäuren können Studien zufolge ebenfalls hilfreich sein. Eine Studie im Journal of Cosmetic Dermatology aus dem Jahr 2015 kam zu dem Schluss, dass essentielle Fettsäuren eine wichtige Rolle dabei spielen, zu helfen, Haarausfall zu vermeiden. Studien an Tieren haben ähnliche Ergebnisse geliefert. 

Adaptogene, die bei Haarverlust helfen könnten

Rhodiola und Ashwagandha sind zwei verbreitete Adaptogene, die ebenfalls hilfreich sein können. Adaptogene helfen dem Körper in Zeiten von Stress, indem Sie den Hormonhaushalt im Gleichgewicht halten. Man nimmt an, dass es sich hierbei um den Mechanismus handelt, durch den sie helfen, Haarausfall vorzubeugen. 

Ätherische Öle, die bei Haarverlust helfen könnten

Lavendel

Lavendelöl. Es wird seit Tausenden von Jahren von Kulturen auf der ganzen Welt eingesetzt.  Die früheste Aufzeichnung seiner Nutzung stammt von den Griechen und Römern. Dieses beliebte ätherische Öl hat viele therapeutische Nutzen. Äußerlich auf die Kopfhaut aufgetragen, kann es das Haarwachstum anregen. 

Pfefferminze 

Eine Studie aus dem Jahr 2014 in Toxicological Research zeigte, dass Pfefferminze äußerlich angewendet helfen könnte, das Haarwachstum zu unterstützen. Es sind weitere Studien nötig. 

Rosmarin 

2015 wurde Rosmarin in einer Studie mit dem von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassenem Medikament Minoxidil (Rogaine) verglichen. Die Ergebnisse waren ähnlich und zeigten, dass Rosmarin bei äußerlicher Anwendung auf die Kopfhaut genau wie das Medikament das Haarwachstum verbesserte. Es dauerte jedoch sechs Monate, bis das Wachstum sichtbar wurde, daher ist Geduld gefragt. 

Quellen:

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