Beim Reizdarmsyndrom (RDS) handelt es sich um eine Magen-Darm-Erkrankung, unter der Millionen Menschen auf der ganzen Welt leiden. Man vermutet, dass bis zu 11 Prozent der Weltbevölkerung mit dieser Krankheit zu kämpfen hat, wobei Frauen häufiger davon betroffen sind als Männer. 

‌‌‌‌Was sind die Symptome des Reizdarmsyndroms?

Das Reizdarmsyndrom kann sich mit allen oder nur einigen der folgenden Symptome bemerkbar machen:

  • Flatulenz
  • Bauchschmerzen 
  • Blähungen
  • Durchfall
  • Verstopfung

Bei vielen, die unter dem Reizdarmsyndrom leiden, können die Symptome täglich oder wöchentlich abwechselnd auftreten und wieder verschwinden. Einige fühlen sich nach dem Stuhlgang besser und haben weniger Beschwerden, während sich bei anderen die Schmerzen verschlimmern. Da es so viele Unterschiede hinsichtlich der Art und Häufigkeit der Symptome gibt, müssen die Lösungen und Behandlungen auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt werden. Was bei einem wirkt, ist bei einem anderen nicht unbedingt genauso hilfreich. 

‌‌‌‌Wie wird das Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

Gastroenterologen bzw. RDS-Spezialisten haben bestimmte Kriterien festgelegt, nach denen das Reizdarmsyndrom genau diagnostiziert werden kann. Diese werden als Rom IV-Kriterien bezeichnet.  Die Diagnose „Reizdarmsyndrom“ wird gestellt, wenn über einen Zeitraum von 12 Wochen Beschwerden im Bauchraum wiederholt mindestens einmal pro Woche aufgetreten sind. Zudem müssen die Bauchbeschwerden zusammen mit mindestens zwei der folgenden Symptome auftreten:

  • Stuhlgang
  • Änderung der Stuhlhäufigkeit
  • Änderung der Stuhlkonsistenz

‌‌‌‌Welche Reizdarmsyndromarten gibt es? 

Zu den verschiedenen Arten zählen: 

  • RDS-D – RDS, bei dem vorwiegend Durchfall auftritt
  • RDS-C – RDS, bei dem vorwiegend Verstopfung auftritt
  • RDS – Es treten abwechselnd Verstopfung und Durchfall auf. 

‌‌‌‌Welches sind die Risikofaktoren, die das Reizdarmsyndrom hervorrufen können?

Zu den RDS-Risikofaktoren zählen:

  • Leaky-Gut-Syndrom
  • Milchallergie oder Laktoseintoleranz
  • Weizen-/Glutenallergie
  • Verwendung künstlicher Süßstoffe
  • Übermäßiger Gebrauch von Antibiotika
  • Vorkommen eines Reizdarmsyndroms in der Familie

‌‌‌‌Welche Erkrankungen liegen dem Reizdarmsyndrom zugrunde?

Bestimmte Krankheiten werden bei RDS-Patienten häufig festgestellt. Eine große Anzahl praktischer Ärzte, wozu auch ich zähle, ist der Überzeugung, dass viele der nachfolgend aufgeführten Erkrankungen auf eine unzureichende Darmgesundheit zurückzuführen sind. Ich habe es häufig erlebt, dass bei meinen Patienten diese Erkrankungen oftmals verschwinden, wenn sie sich auf die Verbesserung ihrer Darmgesundheit konzentrieren. 

  • Fibromyalgie
  • Sodbrennen
  • Chronisches Müdigkeitssyndrom (systemische Belastungsunverträglichkeit) 
  • Migräne
  • Autoimmunerkrankungen
  • Depressionen
  • Angstzustände
  • Schlafstörungen
  • Schilddrüsenunterfunktion

‌‌‌‌Konventionelle Medikamente gegen das Reizdarmsyndrom

Es gibt viele Medikamente, die Ärzte zur Behandlung des Reizdarmsyndroms verschreiben können. Dazu zählen: 

  • Lubiproston – Hilft beim RDS, das vorwiegend mit Durchfällen einhergeht.
  • Linaclotid – Hilft beim RDS, das vorwiegend mit Verstopfung einhergeht. 
  • Dicyclomin/Hyoscyamin – Wird bei Patienten mit Darmkrämpfen eingesetzt.
  • Antidepressiva – Verschiedene Klassen von Antidepressiva können für Abhilfe sorgen, wahrscheinlich aufgrund der Wiederherstellung des Serotoningleichgewichts im Darm. 
  • Loperamid und Imodium – Beide Präparate wirken gegen Durchfall.
  • Rifaximin – Dabei handelt es sich um ein „nicht absorbiertes“ Antibiotikum, das dazu beitragen kann, den Darm in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen, indem schädliche Bakterien abgetötet werden. Es ist jedoch wichtig, die Ernährung zu verbessern und den Darm mithilfe von Probiotika">Probiotika neu zu besiedeln, da ansonsten dieselben Symptome nach der Behandlung auftreten werden. 

‌‌Konzentration auf die 5 Maßnahmen zur Verbesserung der Darmgesundheit

Praktische Ärzte wählen gerne einen Ansatz auf der Grundlage folgender 5 Maßnahmen, um die Darmgesundheit zu optimieren: Beseitigen, Ersetzen, Neubesiedeln, Reparieren und Ausbalancieren.

1. Beseitigen

Pathogene Organismen und schädliche Lebensmittel, auf die man empfindlich reagiert, müssen beseitigt werden. Für viele gehören dazu normalerweise Milchprodukte, Weizen (Gluten) und möglicherweise Mais und Maisprodukte wie Maissirup mit hohem Fruchtzuckergehalt. Zu viel Zucker und Alkohol schädigen zudem die Darmschleimhaut, da sie etwaige Entzündungen verschlimmern. 

Künstliche Süßstoffe (Aspartam, Sucralose) müssen vom Speiseplan gestrichen werden, da sie die Darmflora verändern und zu Durchfall und einer schlechten Verdauung führen können, was schädliche Bakterien vermehrt gedeihen lässt. Darüber hinaus können künstliche Süßstoffe wie Sorbit, Xylit und Mannit Blähungen und oftmals Durchfall verursachen. 

2. Enzyme/HCL (Salzsäure) ersetzen

Einige erzielen eine Verbesserung ihrer Verdauung, wenn sie Betain HCL und Bauchspeicheldrüsen-Verdauungsenzyme">Verdauungsenzyme einnehmen. Des Weiteren wird das Einstellen oder Reduzieren der Verwendung von Säurereduzierern wie H2-Blockern (Ranitidin, Famotidin) und Protonenpumpenhemmern (Esomeprazol-Omeprazol, Pantoprazol) empfohlen. Wenn Sie diese Medikamente länger als ein paar Monate eingenommen haben, müssen Sie sie möglicherweise für mehrere Monate absetzen. Andernfalls könnten Sie unter Sodbrennen leiden. 

Es ist jedoch wichtig, Medikamente niemals abzusetzen, ohne vorher Ihren Arzt zu konsultieren. Patienten mit einer Krebsvorstufe namens Barrett-Ösophagus wird empfohlen, lebenslang Säurereduzierer einzunehmen, um Speiseröhrenkrebs vorzubeugen.

3. Neubesiedelung 

In diesem Schritt werden Dünn- und Dickdarm mit gesunden und nützlichen Bakterien neu besiedelt. Zu den gesunden Bakterien zählen Laktobazillen und Bifidobakterien. Diese Stämme sind meist in Probiotika-Nahrungsergänzungsmitteln enthalten.  

4. Reparieren  

Es wird eine Ernährungsumstellung empfohlen, um das Reizdarmsyndrom und das Leaky-Gut-Syndrom zu lindern. Dabei sollte Folgendes einbezogen werden:

  • Täglich Knochenbrühe essen 
  • Kefir bzw. Yoghurt in den Speiseplan integrieren
  • Kombucha-Tee trinken 
  • Mehr fermentiertes Gemüse wie Sauerkraut und Kimchi verzehren
  • Mit Kokosöl kochen 
  • Getreide und industriell verarbeitete Lebensmittel vom Speiseplan streichen 
  • Keimlinge verzehren wie etwa aus Chia-Lein- und Hanfsamen
  • Vorwiegend ballaststoffreich und pflanzlich ernähren

5. Ins Gleichgewicht bringen 

Ändern Sie Ihre Lebensgewohnheiten. Üben Sie beispielsweise Meditieren und Yoga zum Stressabbau und bewegen Sie sich täglich. Sorgen Sie für einen erholsamen Schlaf und schlafen Sie bei Bedarf länger. Denken Sie zudem daran, sich jeden Abend vor dem Schlafengehen mit einem entspannenden Tee wie etwa einem Baldrian- oder Kamillentee zu verwöhnen. 

‌‌‌‌6 Nahrungsergänzungsmittel bei Reizdarmbeschwerden 

Verdauungsenzyme

Die Verdauungsenzyme Pancreatin, Bromelain und Papain können ebenfalls verdauungsfördernd wirken. Es gibt sie in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, die vor den Mahlzeiten eingenommen werden. Empfohlene Tagesdosis: Wie auf dem Etikett angegeben einnehmen.

Ballaststoffe

Der Verzehr von Ballaststoffen ist sehr wichtig, um Verstopfungen entgegenzuwirken. Es wird empfohlen, mindestens 25 Gramm Ballaststoffe pro Tag zu sich zu nehmen, was durch den Verzehr von fünf bis neun Portionen Gemüse und Obst erreicht werden kann.

 Eine Avocado enthält etwa 13, ein mittelgroßer Apfel 4 und eine mittelgroße Banane 3 Gramm Ballaststoffe. Beeren sind nicht nur reich an Ballaststoffen, sondern schützen auch vor Darmkrebs. Dies geht aus einer im Jahr 2016 in der Fachzeitschrift Molecules veröffentlichten Studie hervorChiasamen sind ebenfalls eine gute Wahl – nur ein Teelöffel davon enthält fast sechs Gramm Ballaststoffe. Eine Tasse schwarze Bohnen enthält 15 Gramm Ballaststoffe. 

Pflanzliche Lebensmittel sorgen für einen regelmäßigen Stuhlgang und ein gesundes Verdauungssystem. Darüber hinaus liefern sie viele weitere Nährstoffe, zum Beispiel die Vitamine AK und E, zusammen mit Vitamin C sowie anderen Phytonährstoffen und Antioxidantien.  

In einer Studie aus dem Jahr 2015 wurde gezeigt, dass Ballaststoffe bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Verstopfung sowie bei Patienten mit Verstopfung aufgrund eines Reizdarmsyndroms wirksam waren. Eine Ernährung mit einem hohem Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln ist mit einem verringerten Risiko für Darmkrebs verbunden und wirkt sich günstig auf die Darmflora aus. Aus einer im Jahr 2012 im World Journal of Gastroenterology veröffentlichten Studie geht hervor, dass Ballaststoffe bei Erwachsenen, die unter Verstopfung leiden, zur Erhöhung der Stuhlfrequenz beitragen können. 

Magnesium 

Magnesium ist ein allgegenwärtiges Mineral, das an über 350 biochemischen Reaktionen im gesamten Körper beteiligt ist. Magnesiummangel zählt ebenfalls zu den häufigsten Nährstoffmängeln und kann Muskelkrämpfe oder Verstopfung verursachen. 

Im Rahmen einer im Jahr 2014 im Bereich der klinischen Gastroenterologie und Hepatologie durchgeführten Studie wurden in Frankreich Frauen untersucht, die unter Verstopfung litten. Die Forscher fanden heraus, dass sich die Verstopfung bei täglichem Gebrauch von magnesiumreichem Mineralwasser deutlich besserte. Empfohlene Tagesdosis: 125 bis 500 mg.

Hinweis: Wenn loser Stuhl auftritt, ist die Dosis zu verringern. Personen mit einer fortgeschrittenen Nierenerkrankung, insbesondere im vierten oder fünften Stadium, sollten vor der Einnahme eines Magnesiumpräparats zunächst ihren Arzt konsultieren.

Probiotika

Wenn man sich für ein Probiotikum entscheiden soll, kann man sich leicht überfordert fühlen. Es gibt nämlich jede Menge Präparate mit verschiedenen Bakterienstämmen. Und obwohl unser Wissen über Probiotika in den letzten zehn Jahren erheblich gewachsen ist – in diesem Zeitraum wurden über 20.000 wissenschaftliche Berichte zu diesem Thema veröffentlicht –, werden immer wieder neue gesundheitlich Vorteile entdeckt.  

Wenn ich Probiotika verschreibe, empfehle ich meinen Patienten, ein Probiotikum mit 10 bis 30 Milliarden Einheiten zweimal täglich einzunehmen. Saccharomyces boulardii, ein gesunder Hefepilz, kann ebenfalls dazu beitragen, bei Menschen, die unter Beschwerden aufgrund eines Reizdarmsyndroms leiden, das Gleichgewicht im Darm wiederherzustellen. Eine Ernährungsumstellung ist allerdings die wichtigste Maßnahme zur Verbesserung der Darmgesundheit. Indem wir uns selbst ernähren, füttern wir nämlich gleichzeitig unsere Darmbakterien.

Probiotika sind in Form von Kapseln, Kautabletten, Pulvern und manchmal auch als Kautabletten erhältlich. Sie gelten für alle Altersgruppen und Personen mit einem gesund funktionierenden Immunsystem als unbedenklich. Menschen mit einem geschwächtem Immunsystem oder die sich einer Chemotherapie unterziehen, sollten sich vor der Einnahme eines probiotischen Nahrungsergänzungsmittels von ihrem Arzt beraten lassen.

Präbiotika

Während Probiotika in den letzten zehn Jahren zunehmend beliebter wurden, sind Präbiotika weniger bekannt, aber genauso wichtig. Präbiotika sind (in bestimmten Lebensmitteln enthaltene) Substanzen, die den Darmbakterien zugutekommen. In gewissem Sinne sind Präbiotika wie „Tiernahrung“ für die guten Bakterien. 

Präbiotische Lebensmittel sind reich an einer speziellen Art von Kohlenhydraten, die als Oligosaccharide bezeichnet werden. Oligo bedeutet „wenige“ und Saccharid bedeutet „Zucker“.  Oligosaccharide sind eine Mischung zwischen einfachen und komplexen Kohlenhydraten, was bedeutet, dass sie normalerweise eine Länge von 3 bis 10 Zuckermolekülen haben. Die guten Bakterien des Darms verzehren diesen fermentierbaren Zucker und tragen dadurch dazu bei, die Mikrobenvielfalt des Darms sicherzustellen. Bestimmte Lebensmittel wie Äpfel und Bananen gelten als Präbiotika. Es gibt jedoch auch präbiotische Nahrungsergänzungsmittel. Nehmen Sie das Präparat entsprechend den Anweisungen auf dem Etikett ein. 

L-Glutamin

L-Glutamin ist eine Aminosäure, die dazu beiträgt, die Zellen des Darms mit Energie zu versorgen. Eine Studie aus dem Jahr 2019 an Patienten, die unter RSD-D und einer erhöhten Darmpermeabilität (d. h. einem durchlässigen Darm) litten, kam zu dem Schluss, dass L-Glutamin zur Verringerung der Reizdarmsymptome beitragen kann. Eine andere, im Jahr 2016 durchgeführte Studie ergab ebenfalls, dass Glutamin für Patienten mit Reizdarmsyndrom förderlich sein kann. L-Glutamin ist als Pulver erhältlich, das in einer Flüssigkeit aufgelöst getrunken wird. Es können je nach Bedarf ein- bis dreimal täglich 5 Gramm eingenommen werden.

Kräuter und Tees für zusätzliche Unterstützung

Untersuchungen haben gezeigt, dass Kräuter wie ZitronenmelissePfefferminzeund Kamille bei Reizdarmsymptomen lindernd wirken können. Des Weiteren sollen auch rote Paprika förderlich sein. Eine im Jahr 2016 durchgeführte Studie schlussfolgerte, dass roter Paprika in Pulverform Beschwerden wie Schmerzen und Blähungen bei Reizdarmpatienten lindern könnte. 

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